Was hier hinter den Hügeln hervor schaut, sind die grob 2500 Jahre alten Kapitelle der Säulen von Persepolis.
Für ihre Prunkstadt haben die Könige von damals ein 15 Hektar großes Plateau angelegt, auf dem dann Paläste, Schatzkammern und Zeremonialbauten errichtet wurden.
Persepolis war dann für ca. 200 Jahre die Residenzstadt der Perser, bis ihnen schließlich Alexander der Große einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Er hat die Anlage erobert, die Inhalte der Schatzkammer geplündert und einen Teil der Stadt abgefackelt.
Danach haben dann verschiedene „Entdecker“ den Ruinen über die Jahrhunderte weiter zugesetzt: Da wurden Trophäen gesammelt und selbstverherrlichende Inschriften in die Steine geklopft. Die Tourismusindustrie hat schließlich noch ein Museum und ein riesiges Blech-Flugdach in plumper Architektur mitten ins Areal gepflanzt.
All den Zerstörungen und dem neuzeitlichen Diletantismus zum Trotz kann Persepolis immer noch imponieren. Die Reste des Eingangsbereiches – das „Tor aller Länder“ – lassen den Prunk der alten Stadt erahnen.
Mit „allen Ländern“ sind die den Persern unterlegenen Völker gemeint. Überall in der Stadt wurde von Bildhauern auf kunstvollen Reliefs die Macht des Stärkeren in verschiedenster Form dargestellt… damit es sicher keine Missverständnisse gab, wenn Repräsentanten unterworfener Völker zu Besuch kamen.
Auf der Flucht vor Alexander dem Großen war für die mächtigen persischen Herrscher dann aber Schluss mit gemütlichen Spaziergängen unter dem Sonnenschirm.
Heute sind Archäologen damit beschäftigt, das Mega-Puzzle der verbliebenen Reste von Persepolis wieder zusammen zu bauen. Trotzdem können sie bestenfalls ein steinernes „Skelett“ von Persepolis rekonstruieren, weil die vielen Holz- und Textilelemente der Architektur längst für immer verloren sind.
Die Präsentation der Anlage ist technisch veraltet und wirkt lieblos gestaltet – schade, denn Persepolis steht den Stätten der europäischen Antike an Relevanz um nichts nach.
Irgendein „kreatives Genie“ hat z.B. die Idee gehabt, die Objektbeschreibungen auf horizontale Glastafeln zu drucken, sodass man den Text doppelt sieht. Obwohl Alkohol im ganzen Land verboten ist, lesen sich die Tafeln so wie nach 10 Bieren.
In Schiras angekommen dürfen wir uns bei Sadat und Ali einquartieren und werden von ihnen drei Tage lang verwöhnt.
Die Zitadelle des Karim Khan – er und seine Nachfahren haben Persien von Schiras aus ein paar Jahrzehnte lang regiert.
So haben die Alpha-Tierchen damals ausgesehen… erinnert ein wenig an die Darwische in der Türkei. Khan war aber Kurde – überspitzt könnte man also sagen, dass es im 18. Jhdt. einen ziemlich großen Kurdenstaat gab.
Cleverer Insektenschutz: Die prächtigen Fensterscheiben mit ihren bunt leuchtenden Rosettenmustern wirken unwiderstehlich anziehend auf Insekten im Raum. In einiger Entfernung zum Fenster hat man so immer seine Ruhe vor Moskitos und Fliegen, erklärt uns Ali.
In Schiras finden sich die letzten Ruhestätten der bedeutendsten persischen Poeten – darunter auch jene von Hafis, des „Godfather of Persian Poems“ in einem schön angelegten Rosengarten.
Ein seltener Moment: Hafis allein mit „seinem“ Wächter. Normalerweise scharen sich zur Tageszeit immer Dutzende Besucher um seine Ruhestätte.
Beim Hafis-Grab verkaufen Straßenhändler Zettelchen mit Versen des Meisters. Dressierte Wellensittiche ziehen dabei je einen Vers aus dem Stapel und „überreichen“ ihn dem Käufer. Der Andrang ist groß.
Ein Khatam Meister bei der Arbeit. Überall, wo viele Touristen vorbei kommen, wird auch persische Kunst als Souvenirs verkauft. Der Erlös in den staatlich betriebenen Shops geht dann mehr oder weniger direkt in die Kassen des Regimes. Also heißt es „Danke – wir schauen nur“.
Khatam ist eine Technik zum Herstellen ultra-feiner Einlegearbeiten aus Holz-, Metall- und Knochenstücken. Das ganze ist nicht Millimeter-Arbeit, sondern Sub-Millimeter Kunst. Das Bild zeigt ein Detail einer unfertigen Khatam-Schatulle. Die Nägel sind kaum größer als Stecknadeln (und haben auch eine ähnliche Funktion).
Am Mausoleum von Saadi herrscht etwas weniger Andrang. Im Gegesatz zu Hafis utopisch-blumiger Poesie war Saadi ein eher bodenständiger Typ: „Wenn einer in dem Volke töricht handelt – So fällt Verachtung gleich auf groß und klein. – Oft kann ein einz’ger Ochse auf der Weide – Verderber einer ganzen Herde sein.“ Recht hat er! 🙂
Mit Ali und Sadat am Sarkophag von Saadi.
Am Abend besuchen wir den Narandschestan-e Ghavam Pavillon. Der wurde im 19. Jhdt. von einer Kaufmannsfamilie erbaut.
Von der „schmucken“ Veranda aus überblickt man den davor liegenden Orangengarten mit zahlreichen Brunnen und Wasserbecken.
Wie immer in der alten persischen Architektur hat man auch hier nicht mit feinen Details gespart. Die Türen sind mit Einlegearbeiten aus verschiedenen Holzarten, Messing, Perlmutt und Knochen dekoriert.
Am Abend wählt eine Gruppe traditionell gekleideter Frauen und Mädchen den Pavillon als Kulisse für ihre Gruppenfotos. Kurzerhand wird Kathi – weniger traditionell – ins Foto aufgenommen.
Noch später am Abend besuchen wir Verwandte unserer Gastgeber – es gilt zwei Geburtstage zu feiern. Ali – Meister des Safran-Kebapspießes – beweist, dass er sein Handwerk auch mit minimalem Spielraum perfekt beherrscht. 🙂
Es ist Sadats (rotes Kleid) und Niloos (rote Lippen) Geburtstag…
…und der wird anständig gefeiert!
Beim Essen und Trinken lassen wir uns nicht lange bitten. Die Wasserpfeife lehnen wir aber (wie schon öfter zuvor) dankend ab.
Tags darauf suchen wir am Basar Weihnachtsgeschenke für unsere Verwandten und können uns dabei einen ganzen Tag lang auf die Beratung von Babak verlassen.
Kaum sind wir wieder auf der Straße, beginnt auch schon wieder das gute alte Selfie-Schießen. Jeden Tag kommen Menschen auf uns zu, die sich über unseren Besuch in ihrem Land freuen und höflich bitten, das Treffen mit uns kurz auf einem Foto festzuhalten.
Es ist Dezember und die Tage sind kurz. Wir verlieren durch die Selfie-Pausen wertvolle Fahrzeit – die Leute wollen sich schließlich auch mit uns unterhalten und geben uns oft auch Kleinigkeiten zu essen. Weil alles immer sehr herzlich und höflich abläuft, nehmen wir uns die Zeit aber gerne.
Die Verwöhnung durch Ali und Sadat schwingt auch am Abend nach unserer Abreise aus Schiras noch nach: Im Zelt wird das morgens eingepackte Festmahl „verputzt“.
Dass wir im Zelt schlafen, ist im Iran aber eher die Ausnahme, denn „feste“ Unterkünfte sind kostengünstig und man wird oft von den Menschen eingeladen. Manchmal ist aber nichts da oder man will einfach nur allein sein. Die Abwechslung tut dann auch gut.
Als morgens eine alte Ziegenhirtin aus der Gegend ihre Herde an unserem Zelt vorbei treibt, prallen zwei Welten aufeinander.
Die Frau ist nicht scheu und kommt sofort näher, als sie uns sieht. In einer Hand hält sie einen Gehstock, in der anderen ein Stöckchen zum Antreiben ihrer Ziegen.
Wir können uns nicht mit ihr verständigen. Sie gestikuliert in Richtung der Straße, auf der wir „ihr“ Terretorium durchqueren – vermutlich endet ihre Welt irgendwo dort…
…während unser Leben auf der Straße erst so richtig beginnt.
Am nächsten Abend finden wir kurz vor Sonnenuntergang eine große, alte Burg wenige hundert Meter von der Straße entfernt, und beschließen unser Nachtlager dort aufzuschlagen.
Fürs geübte Burgfräulein ist die Eroberung der alten Festung ein Kinderspiel.
…und schon nach ein paar Minuten haben wir die Anlage fest in unserer Hand.
Am nächsten Morgen stellen wir bei genauerer Betrachtung unseres neuen Domizils aber leider fest, dass der Sanierungsbedarf unsere Kapazitäten übersteigt…
…also machen wir uns wieder auf den Weg.
Irgendwann lässt sich nicht länger ignorieren, dass uns zwei-drei Tage fehlen, um rechtzeitig an den Persischen Golf und den dort (am anderen Ufer in Dubai) gebuchten Flug übers unsichere Pakistan zu erwischen. Die Lösung sind – welch „Überraschung“ – Trucker. Wir lernen, dass sogar auf Tankwagen genug Platz für unsere Räder und das ganze Gepäck ist.
Weil Mehram – unser Fahrer – über Nacht einen Stopp bei seiner Familie einlegt, bevor er im Konvoi mit seinem Freund und Kollegen Reza weiter Richtung Bandar Abbas fährt, bietet er uns an, in seinem Haus bei seiner Familie zu übernachten. Er macht einen vertrauenswürdigen Eindruck, also nehmen wir dankend an und werden vor dem Schlafen gehen sogar noch zum gemeinsamen Essen eingeladen.
Etwa 80 km vor Bandar Abbas lassen wir uns von Mehram und Reza auf einem Trucker-Parkplatz mitten im Nirgendwo „abladen“, um die letzten Kilometer im Land der Perser per Fahrrad hinter uns zu bringen und langsam am Ziel anzukommen.
Wir sind nun sehr weit südlich im Iran und praktisch auf Null Metern Seehöhe. Es wird heiß – richtig heiß! – und staubig.
Der aufgewirbelte Wüstenstaub trübt die Luft. Die Bergkette im Hintergrund ist keine 2 Kilometer entfernt, aber kaum mehr erkennbar.
Unterwegs kommen wir (wieder mal) an Grabhügeln vorbei. Gravierte Grabsteine hinter Steingräbern erinnern an die Verstorbenen. Manchmal werden auch nur unbearbeitete Natursteinplatten aufgestellt, oder es gibt überhaupt nur einen Steinhaufen.
Die letzte Nacht vor Bandar Abbas wollen wir eigentlich auf den Bergen des Geno Naturreservats verbringen – von dort oben hätten wir auf Blick aufs Meer und einen schönen Sonnenaufgang gehofft. Nachdem ein dubioser Parkwächter aber eine nicht deklarierte „Ausländergebühr“ von uns kassieren will, campen wir lieber direkt vor dem Eingang des Reservats mit Blick nur auf das Lichtermeer der nahen Großstadt.
Schließlich erreichen wir den Persischen Golf. Und dort ist gleich mal einiges los. Am Strand am Stadtrand herrscht dichter Trubel aus Menschen, Booten und Autos.
Auf See ist der gesamte Horizont von hunderten Frachtschiffen gesäumt, die vor dem größten Hafen des Iran in der Straße von Hormus vor Anker liegen. Nicht alle warten hier auf die Einfahrt in den Hafen. Es sind auch viele dabei, die „auf bessere Zeiten warten“ – sei es wegen fehlender Schiffsversicherungen aufgrund amerikanischer Handelssanktionen, oder einfach nur um das geladene Rohöl später zu einem besseren Kurs verkaufen zu können.
Im Zentrum von Bandar Abbas haben iranische Touristen hunderte Kuppelzelte dicht nebeneinander aufgebaut, in denen sie ihren Strandurlaub verbringen.
In Bandar Abbas empfängt uns Hooman – ein Freund von Ali, dem Gastgeber in Schiras. Auch er zeigt uns seine Stadt und stellt uns sogar eine eigene Wohnung zur Verfügung.
Hooman bringt uns zum gemeinsamen Abendessen in eines seiner Lieblingslokale – in der Hafenstadt stehen natürlich leckere Meeresfrüchte am Programm. Unser Gastgeber ist Dichter und Journalist. Auf Nachfrage spricht er vorsichtig und bedacht über sein Handwerk und die Medien im Iran – ein interessantes Gespräch, bei dem wir unter anderem erfahren, dass sämtliche offiziellen Nachrichten in einer staatlichen Presseagentur kanalisiert werden.
Am nächsten Morgen lassen wir die Hafenstadt vorübergehend hinter uns und setzen mit einer kleinen Fähre auf Hormus über. Die Insel ist ein beliebtes Ausflugsziel für Einheimische und Touristen.
Der typische Hormus-Besucher mietet sich (im Gegesatz zu uns Radfahrern) gleich nach seiner Ankunft eines von dutzenden Ausflugs-Tuk-Tuks.
In den vollgepackten Tuk-Tuks vergnügen sich die Inselbesucher dann während der Rundfahrt auf der Ringstraße entlang der Küste der Insel. Die Tour führt durch die spektakulär bunten Landschaften der Insel.
Auf Hormus gibt es keine Sittenwächter und was vielerorts in der Öffentlichkeit keinesfalls möglich wäre, wird hier toleriert. Man spürt sofort, dass auf der Insel ein Wind der Freiheit weht und die Menschen zum Aufatmen hierher kommen.
Auch Kathi legt hier erstmals seit vielen Wochen ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit ab. Aber nur, wenn niemand hinschaut. 🙂
Obwohl wir Hormus an einem bewölkten Tag besuchen, ist die farbenfrohe Kulisse der Insel eindrücklich.
Beim Spazieren durch die rötlichen Steinformationen kommt man sich manchmal vor wie ein Raumfahrer auf einem fremden Planeten.
Wir staunen, welche „Kunst“ durch Wind und Wasser von der Natur erschaffen werden kann.
Irgendwie passend zur persischen Kunst sind auch die Formen und Farben der Naturkunstwerke auf Hormus vom Großen bis ins kleinste Detail „vollendet“.
Wir erklimmen einen vermeintlichen Krater, der sich oben dann (mangels „Loch“) als Tafelberg herausstellt. Der Aufstieg wird mit einem Ausblick auf die Stadt Hormus belohnt.
Die Einheimischen auf Hormus leben zwar vom Halli-Galli-Tourismus, führen aber selbst ein eher ruhiges Leben.
Kurz vor Sonnenuntergang hüpfen wir auf die letzte Fähre zurück aufs Festland.
Letzter Tag in Bandar Abbas. Letzter Tag im Iran. Ein letztes Mal kaufen wir Wasser und Proviant am Markt.
Ein letztes Mal schießen wir Fotos gemeinsam mit wissenshungrigen Kids und beantworten die hundertfach gestellten Fragen woher wir kommen und wohin wir gehen.
Spätabends steigen wir nach 1½ Monaten im Iran auf die Fähre, die uns über den Persischen Golf in die Vereinigten Arabischen Emirate bringen wird. Der Abschied ist mit viel Wehmut verbunden. Nie zuvor wurden wir in einem Land mit so offenen Herzen empfangen. Nie zuvor haben wir uns so verbunden zu den Menschen gefühlt. Wir werden diese Eindrücke nicht vergessen und wünschen unseren Freunden, dass ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft im Iran weiter lebt und in Erfüllung geht!