Wir erreichen Isfahan. Die durchschnittliche Wohngegend ist (natürlich) nicht unbedingt ein Postkartenmotiv. Der Millionenmetropole eilt aber ein Ruf als schönste Stadt des Iran voraus.
Wir werden von Ali und Minoo, deren Sohn Kavous und ihrer Freundin Leila herzlichst empfangen. Die Künstlerfamilie hat die liberalen Zeiten im Iran und die anschließende islamische Revolution als junge Erwachsene erlebt.
Ali ist in Isfahan mitunter für sein geliebtes Auto bekannt: Ein alter, knall-oranger Citroen Dayane 1973. Weil in iranischen Städten 95% der PKW langweilige weiße Designs haben, fällt Ali mit seinem Vehikel sofort auf.
Das antike Gefährt hat schon bessere Zeiten gesehen. Es wird von der Polizei in Isfahan noch geduldet, während Ali in anderen Gegenden damit schon gar nicht mehr fahren darf. Als wir durch die Straßen kurven, richten sich immer viele Blicke auf uns, und das zerbeulte Auto zaubert bei jeder Ausfahrt Lächeln auf hunderte Lippen.
In seinem Atelier päsentiert uns Ali dann seine (wenig überraschende) Vision vom Straßenverkehr. 😉 Er malte dutzende Versionen dieses Bildes – hier die XXL Version.
Nach ein paar „inoffiziellen Getränken“ entsteht eine weitere Version des Motives: Hannes ergänzt ein paar Wolkenkratzer, Kathi zwei Radfahrer, Kavous sorgt für den Rahmen.
Fertig ist die Koproduktion. Meister und Schüler sind alle sehr zufrieden. 🙂
Isfahan gilt im Iran als DAS Zentrum von persischer Architektur und Kunsthandwerk. Als erstes bringen uns unsere Gastgeber zur Chahar Bagh Schule – eine im 18. Jhdt. gegründete Lehrstätte für Theologie und heute erzkonservative Islamschule. Frauen dürfen nur an bestimmten Wochentagen und nicht ohne Vollverschleierung eintreten – das „normale“ Kopftuch reicht nicht, also müssen sich die Damen am Eingang einen Tschador ausleihen.
Der Besuch lohnt sich. Das Spiel mit dem Licht haben die alten Perser echt gut verstanden…
…und, wie man filigrane Holzgitter bastelt, offensichtlich auch.
Nächster Stopp: der zentrale Naqsch-e Dschahan Platz. Die gepflegte Grünfläche wird nicht nur von Touristen sondern auch von den Einwohnern Isfahans gerne zum Picknicken, Badminton-Spielen, etc. genutzt.
Der riesige Platz ist allseitig von Arkadengängen umgeben, in denen Souveniers und Handwerkskunst verkauft werden. Cafés und Lokale gibt es hingegen kaum.
Pech für alle, die dieses Foto jetzt nur im Fuzzi-Format am Handy sehen: Die Sheikh Lotfollah Moschee am Naqsch-e Dschahan Platz hat den eindrucksvollsten Iwan, den wir auf unserer Reise durch den Iran sehen. Auch die Kuppel ist eine Klasse für sich.
Das ist der Iwan von innen. Irgendwie ironisch: Die Jahrhunderte alte Fassade ist so detailreich, dass selbst modernste Kameras die feinen Verzierungen nicht in einer Aufnahme abbilden können.
Isfahan ist auch für seine alten Brücken über den Zayandeh Rud (persisch: „lebensspendender Fluss“) bekannt. Die breiten Straßen über den Fluss werden heute als Gehwege genutzt, sind beidseitig von Arkadengängen gesäumt und bieten jede Menge Platz zum Verweilen (Bild: Chadschu Brücke). Entsprechend viel ist dort los – jeden Tag tummeln sich die Leute bis spät in die Nacht hinein auf den historischen Bauwerken. Die Sache hat aber einen Haken…
Im Gegensatz zu den Postkarten-Fotos, auf denen sich die Bauwerke immer im klaren, glatten Wasser des Flusses spiegeln, fließt in Wahrheit meist kein Tropfen Wasser mehr unter den Bögen der Brücken (Bild: die Si-o-se Pol „33 Bogen Brücke“).
Der „lebensspendende Fluss“ wird stromaufwärts abgewürgt um Agrarflächen zu bewässern und Städte wie Ghom mit Wasser zu versorgen. Wo bis ins Jahr 2000 ganzjährig Wasser geflossen ist, versucht man den Leuten von Isfahan heute die „neue Situation“ mit befestigten Gehwegen und hübscher Beleuchtung schmackhaft zu machen.
Obwohl ganz Isfahan lieber Wasser unter der Brücke sehen würde, wird das Angebot angenommen: Unter den Bögen der Brücken schart sich das Publikum abends um „Straßenkünstler“ (Flussbettkünstler?) und Gruppen von Jugendlichen hängen ab.
Im armenischen Viertel von Isfahan findet man alte christliche Kirchen, die man von außen erst auf den zweiten Blick als solche erkennt: Kreuze auf den orientalischen Kuppeln und ein Glockenturm zieren die Vank Kathedrale.
Urteilt man nach der Besucherzahl, so ist die Kirche wohl eine beliebte Attraktion.
In Anbetracht der allgegenwärtigen kunstvollen Moscheen wollten wohl auch die Christen nicht sparsam wirken und haben in ihrer Kirche nichts ausgelassen: Hunderte Quadratmeter bunter Fresken und vergoldeter Ornamente imponieren den persischen Besuchern. Die Bilder zeigen zahlreiche Stories aus der Bibel: Kreuzweg Jesu‘ und die gute alte Angstmacher-Masche: Unten das Höllenfeuer, oben die Chill-Out Area und dazwischen wir – die Sünder.
Im angrenzenden Museum am Kirchenareal prangern die Armenier den Genozid durch die Osmanen an – eine Tatsache, deren Anerkennung und Aufarbeitung den stolzen Türken bis heute nicht gelingt.
Zwischendurch immer wieder mal ein Glas Tee…
Nach langen Strapazen sind unsere Brillen am Ende: Hannes ist ein Glas gebrochen, Kathis Gläser sind extrem zerkratzt. Zeit also, einen Optiker zu besuchen…
Noch am selben Tag schleift der Optiker unsere Gläser zurecht und – simsalabim – wir sehen wieder scharf! Danke Leila, für deine Hilfe! 🙂
Kavous findet Hannes‘ rotbraunen Zottelbart cool. Mama Minoo – selbst blondiert – versteht das Bleich-Handwerk. Wenig später wird aus Kavous‘ dunkelschwarzem Bart ein hellschwarzer und alle sind zufrieden.
Nach vier schönen Tagen in Isfahan schenkt uns Ali zum Abschied drei Bilder, die wir uns selbst aus seinem Portfolio aussuchen dürfen, und signiert sie.
On the road again. Unterwegs wird immer wieder auf „Kamelverkehr“ hingewiesen – wir sehen aber während unserer 2200 Fahrrad-Kilometer im Iran kein einziges davon auf der Straße…
…nur an Sightseeing-Hotspots begegnen wir bunt aufgeputzten Reitkamelen zur Unterhaltung von Touristen.
Ebenso bunt und doch irgendwie trostlos: Im Iran hat fast jedes noch so kleine Kaff eine Art Vergnügungspark mit Karussell, Schaukeln und „Riesen“-rad. Während wir durchs Land fahren, kommen wir an Dutzenden dieser Anlagen vorbei.
Alle wirken wie ausgestorben, weil während der alljährlichen 40-tägigen Trauer um Imam Hussein keinerlei Vergnügen erlaubt ist.
Mitten im staubtrockenen Nirgendwo stehen wir immer wieder vor alten Burgen, Karavansereien und Gebäuden wie diesem Brieftauben-Stall – Teil eines ausgeklügelten Nachrichtensystems aus längst vergangenen Zeiten.
Sugar-Burnout. Pause zum Cola-Trinken in einer Vorstadt vor Yazd.
Yazd ist die bekannteste Wüstenstadt im Iran. Im historischen Stadtkern ragen zahllose Bādgir Türme über die Dächer – Windfänger mit schlitzförmigen Öffnungen, die Wind zur Kühlung in die Innenhöfe leiten.
Im trocken-heißen Wüstenklima des Zentraliran dreht sich seit Eh und Je alles um Wasser- und Temperaturmanagement.
Im Gegensatz zu Kaschan wirken die Straßen der Altstadt von Yazd gar nicht menschenleer. Vor der bekannten Freitagsmoschee tummeln sich Einheimische und Touristen.
Eine Taube verirrt sich in ein Hinterzimmer der Moschee.
Drei Arbeiter rasten Abends im Schatten an einem Wasserbecken im Zentrum.
Ein Mullah besucht mit einer Gruppe kleiner Jungs ein lokales Museum.
Zwei eifrige Jungs tragen gemeinsam eine Glasplatte nach Hause und werden dabei von zwei Frauen angesprochen.
Ein Kamerateam dreht dramatische Szenen in den Straßen der Altstadt von Yazd.
Eine von tausenden Miezekatzen sitzt auf einer von tausenden Lehmmauern.
An den Innenwänden der typischen Brotbacköfen wird Fladenbrot mit Sesamkruste direkt am Feuer gebacken. Sehr lecker!
Manchmal würde man sich wünschen, ein wenig Persisch lesen zu können. 🙂
An Freitagen wirkt Yazd hingegen wie ausgestorben. Alle Geschäfte bleiben geschlossen und außer den Freitagsgebeten in den Moscheen steht alles öffentliche Leben still.
Das ist kein „richtiges“ Gebäude, sondern „nur“ eine Wand mit Senken, die den Amir Chakhmaq Platz abschließt.
Das Alexander-Gefängnis… Eigentlich ein Schulgebäude, das entgegen der Legende in Wahrheit weder mit Alexander (dem Großen) etwas zu tun hat, noch jemals ein Gefängnis war.
Nach drei Tagen in Yazd ziehen wir weiter, haben aber kein Glück mit dem Wetter. Als es zu schiffen beginnt dauert es wieder mal keine 10 Minuten, bis uns zwei Trucker „einpacken“ und mitnehmen.
Da wir unseren Proviant für diesen Tag somit nicht mehr brauchen, teilen wir die frischen Mehlspeisen mit den beiden – das kommt gut, und schnell herrscht gute Stimmung in der engen Fahrerkabine.
Kathi während einer kurzen „Office Session“ am Straßenrand. Wenige Stunden später werden wir die Ruinen von Persepolis erreichen.
So „gegensätzliche“ Eindrücke … So schön und so schade …
Wieder sehr beeindruckende Fotos 👍