Zentralanatolien ist quasi das geografische Kernland der Türkei ohne Zugang zum Meer und abseits der Außengrenzen des Landes.
Die Region ist ein Hügelland mit vielen Agrarflächen und ohne größere Wälder.
Für uns bedeutet „Hügelland“ ca. 1000 Höhenmeter täglich… das wäre grundsätzlich kein Problem, wenn nicht Kathis Schaltansteuerung als Spätfolge eines Zwischenfalls in San Francisco 70 km vor Konya den Geist aufgeben würde. Es bleibt ihr nur ein mittlerer Gang und die Steigungen werden mit all dem Gepäck ziemlich intensiv.
Wir versuchen den Defekt unterwegs zu reparieren – das kostet aber nur Zeit und bleibt ohne Erfolg. Erst am späten Abend kommen wir in Konya an.
Die Anfrage nach Ersatzteil-Beschaffungsmöglichkeiten wird bei Rohloff mit „Selbst schuld, wenn du keine Ersatzteile mitnimmst.“ beantwortet. (Danke Barbara Rohloff – nach Ihren end- und sinnlosen Monologen über Pflicht-Zertifizierung von Rahmen, nach der Pflicht-Nabenflansch-Verstärkung ab der zweiten Einspeichung trotz Pflicht-Verwendung zertifizierter Speichen haben wir von der überheblichen Kunden-Entmündigung durch Ihr Unternehmen die Schnauze nun endgültig voll. Unser nächstes Rad bauen wir sicher rund um eine Pinion!) Also tüfteln wir gemeinsam mit einem lokalen Fahrradmechaniker eine improvisierte Lösung aus. (Die richtige Antwort auf unsere Anfrage an Rohloff wäre übrigens gewesen: Entferne die Mantel-Litzen eines gewöhnlichen Shimano SIS-Schaltzugs und verwende den Seilkern als provisorisches Ersatzteil – kost‘ nix und funktioniert seit 4000 km tip-top!)
Der entspannte Herr links im Bild ist Erdogan – ein kurdischstämmiger Türke. Dieser Erdogan mag Demokratie. In seinem Postkasten landen unsere Wahlkarten für die Nationalratswahl, und er „serviert“ uns die Post mit einem feinen Mittagessen in seinem Restaurant.
Die Wahlkarten haben einen langen Weg von Österreich in unser Wohnsitzland Schweiz, und dann weiter in die Türkei hinter sich. Die ausgefüllten Wahlkarten gehen dann (nach einer langen Diskussion am Postamt) zurück nach Österreich.
Die Hauptattraktion in Konya ist das Mevlânâ-Mausoleum – eine der wichtigsten Kultstätten für Anhänger des sufistischen Islams.
Sufis werden aufgrund ihrer besonders toleranten Weltanschauung von der restlichen muslimischen Welt teilweise angefeindet und verfolgt.
Der Komplex des Mevlânâ-Mausoleums wird heute großteils als Museum genutzt.
Die Derwische mit ihren hohen kegelförmigen Hüten sind heute vor allem für ihre rituellen Tänze bekannt.
Der Sarkophag von Rumi: Der Perser hat im 13. JH eine recht liebevolle Lehre vertreten. Die Anhänger seiner Lehre verehren heute seine sterblichen Überreste.
In dem Mausoleum sind außerdem noch viele andere sufistische Größen aufgebahrt.
Wir haben zwar leider keine Gelegenheit die Darwische tanzen zu sehen, jedoch werden sie während unseres Besuchs auf unsere voll bepackten Räder aufmerksam. Bevor wir weiter ziehen sucht dieser Darwisch in Zivil das Gespräch mit uns. Er schenkt uns einen schönen Buchband mit Fotos, die die Riten seiner Religion zeigen und wünscht uns viel Glück für unsere weitere Reise.
Weniger ruhig und liebevoll benehmen sich manch andere türkische Muslime. Wir haben nie zuvor (und auch danach im Iran und in arabischen Ländern) derartig penetranten akustischen Terror erlebt. Mit schlechten Soundsystemen brüllen die Muezzine bei höchster Lautstärke ihre kakophonischen „Gesänge“ durch die Stadt. Akustisch entspricht die Schallleistung mehreren hundert menschlichen Stimmen und im Umkreis der Minarette ist kein Gespräch mehr möglich. Ob das wohl im Sinne Allahs ist?
Die alten Männer im Park nehmen es gelassen. Sie haben zwischen den „Gesängen“ der Muezzine genug Zeit für stundenlange Gespräche.
Wir fahren weiter – oft auf nagelneuen Straßen. Die türkische Regierung investiert viel in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.
Die AKP unterstützt den Neubau hunderter Moscheen in der Türkei – diese werden in jedes noch so kleine Dorf gepflanzt. Die Moschee in Bildmitte wird in einer Siedlung aus 4-5 (ebenfalls noch im Bau befindlichen) Einfamilienhäusern gebaut. Wir fragen uns, wer diese teuren Bauten letztendlich finanziert, und vermuten, dass ölreiche arabische Staaten die AKP bei der Islamisierung der Türkei unterstützen.
Je weiter man nach Osten kommt, umso ländlicher wird es. Irgendwann kommt der Punkt, wo praktisch ständig Schaf- und Ziegenherden entlang der Straße getrieben werden.
Die Schafhirten reiten dabei meist auf Eseln. Wenn es nichts zu tun gibt, spazieren die Esel mit ihren Packtaschen am Rücken in der Gegend herum.
Im Zelt schlafen wir nur noch selten, weil die Nächte immer länger und kälter werden, während Herbergen immer billiger werden und Warmshowers/Couchsurfing immer verfügbarer wird.
Unter diesen Umständen spart man sich gerne die Zeit fürs Auf- und Abbauen des Zeltes und fürs Kochen und Abwaschen. Wir erreichen Kappadokien, wo sich im Hintergrund am Horizont schon einige der bekannten Felsformationen dieser Gegend abzeichnen.
Ganz Kappadokien ist voll mit Steinformationen, die mehr oder weniger an Zuckerhüte erinnern.
Wir verbringen zwei Tage damit, uns diese Landschaft mit ihren Sehenswürdigkeiten anzusehen.
Der weiche Tuffstein, aus dem die natürlichen Steinhütchen durch Erosion entstanden sind, ist relativ leicht zu bearbeiten. Also haben sich die „Häuselbauer“ in Kappadokien über viele Jahrtausende hinweg bei Bedarf einfach ein solches Steinhütchen geschnappt und innen ausgehöhlt – und fertig war das Häuschen!
Nach diesem Prinzip wurden seit der Bronzezeit ganze Städte in den Fels gehauen.
Auch größere Tuffsteinblöcke wurden so ausgehöhlt und es entstanden palastartige Höhlenanlagen, die heute zum UNESCO Weltkulturerbe zählen.
Witzig ist, dass nicht nur die Wohnräume selbst durch Aushöhlung der Felsen entstanden sind, sondern quasi auch die „Möblierung“: Zahlreiche kleine Ausnehmungen in den Wänden haben als Abstellflächen gedient, und Sitzflächen wurden ebenfalls direkt aus dem Stein gehauen.
Die Erosion, die die Felsformationen hat entstehen lassen, schreitet natürlich weiter voran und nagt nun an den alten Felsbauwerken.
Von so mancher Wohnhöhle ist heute nicht mehr allzu viel übrig.
Tiefer liegende Räume sind hingegen noch immer gut erhalten.
In frühchristlichen Zeiten haben Christen in Kappadokien Zuflucht gefunden und dort unterirdische Kirchen errichtet.
Mühlsteine, die vor enge Höhlenzugänge gerollt werden konnten und kleine Luftkanäle, die ins Freie geführt haben, sind Hinweise darauf, dass die Anlagen wohl auch gegen Feinde verteidigt werden mussten.
So ein Felshütchen zu erklimmen ist nicht jedermanns Sache, weil es rundherum meist halsbrecherisch steil bergab geht und man an der bröseligen Oberfläche leicht abrutscht.
Der vulkanisch-weiche Tuffstein hat der Erosion durch Wasser wenig entgegen zu setzen. Da passiert es schon mal, dass ein Teil einer Straße abrutscht. Für uns sind beschädigte Straßen das Beste, weil wir die Problemstellen mit den Rädern meist passieren können, und dahinter eine autofreie Fahrbahn wartet.
Die Deluxe-Version des Felshütchens ist der Felsturm mit solidem Felsdach 😉
In solchen Türmen findet man 2- bis 3-geschossige Wohnhäuser.
Wir sind von den verrückten Felsformationen und deren Nutzung ziemlich beeindruckt.
Den obligatorischen Touristen-Kamelen ist die geologische Attraktion hingegen ziemlich egal – Hauptsache es gibt was zu futtern.
Das ist das Love Valley… Offensichtlich werden die Steinformationen also nicht immer mit „Türmchen und Dächern“ assoziiert. 😉
Die Türken wissen das (ohnehin schon wirklich schöne) Love Valley auch noch nett zu dekorieren.
So schön Kappadokien auch ist… irgendwann müssen wir es hinter uns lassen.
Das Keramikmuseum in Avanos hat uns ebenfalls sehr beeindruckt und ist eine Empfehlung wert: Ähnlich wie die alten Höhlenhäuser Kappadokiens wurde die 1500 m2 große Anlage als künstliche Höhle in den Fels gehauen. Ähnlich wie die Abstellflächen in den alten Höhlen sind die Vitrinen als Ausnehmungen in den Felswänden gefertigt. Wir finden die Anlage sehr gelungen und die bis zu 7000 Jahre alten Exponate echt interessant.
Auch heute wird dort noch Keramik mit traditionellen Methoden handgefertigt.
Weiter Richtung Osten erinnert die anatolische Landschaft immer öfter an den amerikanischen Westen.
Als wir am 13. Oktober schließlich in Sivas ankommen, sitzen die Männer im Zentrum der Stadt gerade zum Freitagsgebet im Schatten der Moschee versammelt.
Wir entdecken „Super-Atom“ – eine Mischung aus Trockenfrüchten und Nüssen.
Als Vorbereitung auf den Iran entschließen wir uns also für einen kleinen Atom-Deal. 😉 Wenig später wird das Zeug zwar keine Atomspaltung herbei führen, aber Hannes Backenzahn spalten.
Das Zentrum von Sivas ist stark persisch geprägt. Im 13. JH haben sich hier auf Einladung des Sultans Gelehrte aus dem heutigen Iran nieder gelassen.
In den Innenhöfen, die heute als Café genutzt werden, wurde früher von den „importierten“ Persern Physik, Chemie und Astronomie gelehrt.
Von progressiven Bildungsinitiativen wie damals hört man in der Türkei momentan wenig… aber immerhin schmeckt der Kaffee, der heute in der ehemaligen Bildungshochburg serviert wird.
Auch wenn zuvor noch der Osten der Türkei zu durchqueren sein wird, gibt die Architektur in Sivas schon einen Vorgeschmack auf Persien.
Ich bin immer wieder traurig, wenn die Fotogalerie dann doch zu ende geht. Schön habt ihrs, ich genieße mit. Danke und gutes Reisen!
Hannes Edinger
Hey Suri!! 🙂
Wir sind ja mit dem Blog immer sooo weit hinten… du wirst staunen, wenn du die Fotos vom Iran, Dubai und Indien siehst, die wir alle noch im Köcher haben. Jedenfalls freut es uns sehr, dass unser ewig-gestriges Blog auf Interesse stößt. Alles Gute und viele liebe Grüße von Kathi und mir nach Hause!
PS: Gestern waren wir im Sonnentempel in Jaipur und haben dort ausnahmsweise mal diese andere Surya angebetet 😉
Ich bin immer wieder traurig, wenn die Fotogalerie dann doch zu ende geht. Schön habt ihrs, ich genieße mit. Danke und gutes Reisen!
Hey Suri!! 🙂
Wir sind ja mit dem Blog immer sooo weit hinten… du wirst staunen, wenn du die Fotos vom Iran, Dubai und Indien siehst, die wir alle noch im Köcher haben. Jedenfalls freut es uns sehr, dass unser ewig-gestriges Blog auf Interesse stößt. Alles Gute und viele liebe Grüße von Kathi und mir nach Hause!
PS: Gestern waren wir im Sonnentempel in Jaipur und haben dort ausnahmsweise mal diese andere Surya angebetet 😉