Die Region des Rust Belt ist das Paradebeispiel für Aufstieg und Niedergang der klassischen Stahlindustrie in den USA. Unsere Route führt für viele hundert Kilometer über aufgelassene Eisenbahnstrecken, die in Rails-to-Trails Programmen zu Radwegen umfunktioniert wurden.
Es gibt kaum etwas Gemütlicheres, als auf solchen Rails-To-Trails Routen zu fahren: Kein motorisierter Verkehr, keine Steigungen, eine gute Fahrbahn, effiziente Streckenführung und ein fast durchgehendes Blätterdach als Sonnenschutz…
…sowie lange Streckenabschnitte durch wunderschöne, unberührte Sumpfwälder. (Kleines Suchrätsel am Rande: Finde die Biene! ;))
An die Zeiten der Eisenbahn erinnnern nur noch vereinzelt ausgestellte Relikte wie diese alte Dampflokomotive.
Obwohl wir selten direkt durch ehemalige Industriegebiete kommen, gibt es dort und da doch ein bisschen Rust-Belt Stimmung entlang der Strecke.
Kleinere „tote“ Industrieanlagen sind zwar regelmäßig entlang unseres Weges zu finden, die wirklich großen Industrieruinen haben aber ganz andere Dimensionen – sie sind so groß wie ganze Städte.
Ein Großteil des Bodens im mittleren Westen wird aber für die Landwirtschaft genutzt – hier ein Erdnussfeld.
Auch auf den regulären Straßen herrscht Respekt. Nicht nur die Trucker und viele Autofahrer, sondern auch die Landwirte mit ihren großen Maschinen nehmen stets Rücksicht auf Radfahrer und halten so viel seitlichen Abstand wie möglich.
Hannes und sein Lielingstier. Für alle die es nicht wissen: Esel sind weder dumm noch stur, sondern nur vorsichtig! 😉
Wer denkt, dass die Verrückten Richtung Osten weniger werden, hat sich getäuscht. Wir vermuten einen Zusammenhang zwischen Lebensstil und den Trespassing-Morddrohungen: Je krasser die Drohung,…
…desto verrückter auch die Liegenschaft. Natürlich darf bei einem Redneck der höchsten „Morddrohungs-Klasse“ eine Südstaaten-Flagge und ein Kreuz auf der Garage nicht fehlen.
Nach ganzen 68 Tagen(!) erwischt uns am 13. Juli zum zweiten Mal auf unserer Reise der Regen während wir auf den Rädern sitzen – dafür aber gleich richtig! Zuletzt haben wir die Regenkleidung am 6. Mai in der Sierra Nevada gebraucht, d.h. wir konnten ca. 4000 km fahren, ohne einen einzigen Regentropfen abzubekommen!
Am 14. Juli erreichen wir Louisville – eine Stadt, von der wir vorher nicht einmal wussten, dass sie existiert. Umso erfreuter waren wir über die Attraktivität der Metropole.
Tara und Austin, unsere Hosts in Louisville, bieten professionell geführte Radtouren in Kentucky an. Wir kommen in den Genuss einer gratis City-Tour mit den beiden. Hier posieren wir gemeinsam vor einem Museum bei unseren chinesischen Sternzeichen, modelliert von Ai Weiwei.
Louisville hat eine der weltweit renommiertesten Pferderennbahnen und ist bekannt für sein Derby.
Wir erfahren auch, dass Muhammed Ali aus Louisville kam. In diesem unscheinbaren Gebäude befand sich jenes Gym, in dem die Karriere des legendären Boxers begann…
…und nicht weit entfernt befindet sich auch Muhamed Alis letzte Ruhestätte. Am staatlichen Friedhof sind eigentlich weder Blumenschmuck, noch religiöse oder nationale Symbole erlaubt, aber für Ehrenbürger wird eine Ausnahme gemacht – hier kümmert sich sogar der Staat um den Blumenschmuck.
Wer nicht Muhammed Ali heißt, darf auf dem staatlichen Friedhof „nur“ einen Grabstein haben. Wir finden das Ambiente hier sympathischer als auf vielen anderen US-amerikanischen Friedhöfen, die oft nur so vor religiösen, nationalistischen oder militärschen Symbolen strotzen.
Zwei Tage nach Louisville treffen wir in Cincinnati ein, wo wir spätabends mit einer Pizza im Bauch am Ohio River entlang spazieren.
Wir werden häufig von Menschen auf der Straße auf unsere schwer bepackten Fahrräder angesprochen. Während wir Cincinnati besichtigen, finden dort die Wheelchair-Games statt und Wayne Ross – der Herr in unserer Mitte – ist einer der Teilnehmer. Er kommt auf uns zu und erkundigt sich über unsere Tour. Wayne hat aber auch seine eigene Geshichte zu erzählen…
…Wayne hatte sich vor 20 Jahren gemeinsam mit einem Freund auf die Jagd nach dem Fahrrad-Rekord von Nord-Nordamerika bis Süd-Südamerika gemacht. Übermüdet ist er eines Abends in Guatemala mit einem Autobus kollidiert und dabei fast tödlich verunglückt. Dass er trotzdem 15 Jahre lang im Guinnes Buch der Rekorde erwähnt wurde, war ihm leider wenig Trost. Für uns ist seine Geschichte ein Mahnung und Erinnerung daran, dass Radfahrer im Verkehr das untere Ende der Nahrungskette sind.
Ein paar Tage später in einem kleinen Städtchen: Knock-Knock-Kocking on Sheriff’s Door – wieder einmal melden wir uns bei der lokalen Polizei an. In kleineren Kaffs ist das Büro manchmal unbesetzt, weil der Sheriff alleine Dienst hat und irgendwo unterwegs ist.
Am Morgen danach: Kathi will wieder mal nicht aus dem warmen Bett heraus 😉 …weil es regnet, ist auch Hannes‘ Motivation Null.
Vorsicht Pferdekutschen: Wenn man dieses Verkehrszeichen im mittelren Westem sieht, dann hat das nichts mit Nostalgie-Rundfahrten sondern mit Religion zu tun. Anhänger der Amish Sekten verzichten auf motorisierte Fortbewegung.
Kathi erkundigt sich am Abend bei einem jugendlichen Amish Kutscher nach dem Weg zum lokalen Sheriff’s Office.
Die verschiedenen Amish Sekten leben nach unterschiedlich strengen Regeln. Diesem Bauern ist ein Traktor offensichtlich verwehrt, während ein Mähwerk mit Verbrennungsmotor hingegen erlaubt zu sein scheint.
Wenn Amish Mütter mit ihren Töchtern an der Feinkost-Theke im Walmart shoppen, dann wirkt es optisch so, als ob zwei verschiedene Jahrhunderte gleichzeitig stattfinden.
Ach ja… da war doch vor vielen Tagen mal ein starker Regen, oder!? Wenn man tagelang übersieht, dass Feuchtigkeit in wasserdichte Taschen eingedrungen ist, dann frohlockt der Schimmelpilz.
Unterwegs spricht uns ein freundlicher Polizist an – er ist selbst Radfahrer und erklärt uns die optimale Route durch sein Revier. Fürs Foto holt er noch extra seinen Hut aus dem Auto, bläst die Brust auf und steht ordentlich stramm. 🙂
Danach folgen wenige hundert Meter auf einer achtspurigen Interstate. Eigentlich sind diese Straßen für Radfahrer verboten, aber unser neuer Sheriff-Freund hat es uns ausdrücklich erlaubt. 🙂
Am Abend des 28. Juli erreichen wir Pittsburgh und überqueren den Monongahela River. Wir haben einen kleinen Umweg in Kauf genommen, um hier Freunde zu treffen.
Als wir Sarah und Jorge 2013 in Oaxaca/Mexiko kennenlernten, waren Sarahs erste Worte: „You must be exhausted – are you guys hungry!?“ Wenig später saßen wir auf der Terrasse von Jorges Eltern und schlemmerten leckere Pozole. Die kleine Elena hat damals noch im Bauch von Sarah gewohnt und wir freuen uns, nun, alle drei in Pittsburgh wieder zu treffen.
Wir dürfen ein paar Tage bei Jorge und Sarah verweilen und genießen die häuslich-familiäre Atmosphäre.
„The Dude“: Ein Hund, so schüchtern, dass er sich am liebsten in Luft auflösen würde. Oder wie Sarah es sagt: „This is as close as you can get to not having a dog while having a dog.“
Frühstück in einem Lokal, dessen berühmte Pancakes nicht nur Barak Obama zu schätzen weiß…
…sondern auch das Schlemmermaul Kathi.
In Pittsburgh treffen zwei kleinere Flüsse aufeinander und bilden vereint den Ohio River, dem wir die Wochen zuvor (mehr oder weniger) gefolgt sind. Damit ist jetzt aber Schluss – wir verabschieden uns vom Ohio und fahren auf einer Rails-to-Trails Route Richtung Norden, wo wir zwei Tage später die Great Lakes erreichen werden…
So tolle Fotos und Short-storys… und eure T-shirts passend zu eurem Trip…😉